Es ist schon eigenartig — als Musiker bereitet man sich Tage, Wochen, ja mitunter sogar Monate auf einen Auftritt vor, übt Abläufe und Passagen, feilt an Rhythmus, Dynamik und Zusammenspiel, doch das gekonnte Auf- und Abtreten auf der Bühne, die Gestaltung der „Leerläufe“ zwischen den Stücken oder das Umgehen mit der Publikumsaufmerksamkeit wird dem Zufall überlassen. Dabei ist das sich-souverän-auf-der-Bühne-verhalten alles andere als nebensächlich: Es gehört zu den elementaren Eindrücken, nach welchen das Publikum die Aufführung bewertet und damit die Kompetenzen und Fähigkeiten eines Musikers einschätzt, und zwar bevor ein einziger Ton gespielt wurde.
Selbstsicher, aber sympathisch
Auf der Bühne findet sich der Musiker in einer Dialogsituation wieder: wir erwidern den Applaus, indem wir uns verbeugen, wir nehmen Blickkontakt auf oder lächeln. Wirkt dies unangepasst, kann dies schnell als Arroganz, Unhöflichkeit oder — im besten Fall — als kühle Distanz interpretiert werden (häufig sind Musiker über ein entsprechendes Feedback überrascht oder schockiert). Dabei ist es nicht selten gerade Unsicherheit, die durch eine stoische Mine oder tiefe Stirnfalten kaschiert wird.
Ich helfe mir mit einem kleinen Trick auf der Bühne: Ich stelle mir das Publikum als Einzelperson vor, der ich zum ersten Mal begegne und der ich sympathisch sein will. Und übrigens: Genauso wie im „echten Leben“ hilft auch auf der Bühne bei kleinen oder größeren Pannen eine Portion Humor — das Publikum weiß dies in der Regel sehr zu schätzen.
Leerläufe gestalten: das richtige Timing
Das Wichtigste an der Musik sind die Pausen — diese Binsenweisheit ist sicherlich übertrieben, hat aber auch einen wahren Kern. Denn Pausen sind das vielleicht am wenigsten geübte und geprobte musikalische Momentum. Ich plädiere für einen erweiterten Pausenbegriff (nein, ich meine nicht ein weiteres Glas Sekt zwischen einem Streichquartett von Haydn und einem Trio von Beethoven). Bereits das Einrichten des Notenpults oder das Blättern zwischen einzelnen Sätzen signalisieren Konzentration oder Zerstreutheit und gehören gewissenhaft vorbereitet oder gar geübt. Durch die Anspannung auf der Bühne (Lampenfieber, das jeder gute Musiker kennt, stellt ja physiologisch eine Fluchtreaktion dar) kann es passieren, dass wir Zeiträume auf der Bühne anders empfinden, hektisch und „atemlos“ agieren. Es hilft, sich ganz bewusst für Leerläufe auf der Bühne — die Zeit zwischen den Sätzen, Generalpausen oder Schlusstönen mehr Zeit zu nehmen. Die Spannung bis ans Ende des letzten Tones und darüber hinaus zu halten, gehört übrigens zu den magischsten Momenten für die Musiker auf der Bühne: wenn das Publikum nach dem Ende des extra-langen und ins Nirwana verstummenden Schlusstones so lange nicht zu atmen wagt, bis sich der Körper des Musikers entspannt.
Dynamische Auf- und Abtritte
Etwas anders als bei der Gestaltung der Leerläufe verhält es sich mit dem Weg zur oder von der Bühne. Es ist üblich, dass Musiker nach dem Ende einer gelungenen Aufführung mehrmals auf die Bühne kommen, um dem Applaus zu begegnen. Dieser kann aber gleichsam zum Erliegen kommen, wenn die Musiker sich zu viel Zeit hinter der Bühne lassen oder sich energielos bewegen. Ein dynamisches Auf- und Abtreten wirkt deutlich attraktiver. (Und der Weg zur Bühne während des Geklatsches ist auch definitiv der falsche Zeitpunkt, eingehend darüber zu diskutieren, ob nun den Damen der Vortritt gelassen werden soll oder ob dies in Zeiten von Gender-Mainstreaming und Diversity Management obsolet ist).
Abläufe und Gegebenheiten kennenlernen und visualisieren
Während Profimusiker Auftrittssituationen regelmäßig trainieren, stehen Hobbymusiker zweifellos vor größeren Herausforderungen: wenn sie beispielsweise ein- oder zweimal im Jahr auf einem Musik-Kurs oder einer Musikwoche eine Auftrittsmöglichkeit wahrnehmen.
Hier kann es helfen, sich die konkrete Bühnensituation beim Üben vorzustellen. Das bedeutet auch, wenn möglich, den Saal kennenzulernen und sich bereits ein oder zwei Tage vor dem Konzert auf der Bühne zu bewegen und zu versuchen die Konzertsituation zu visualisieren (Von wo trete ich auf? Wo könnte die Schwiegermutter oder der Arbeitskollege sitzen? Wo steht das Klavier und wo stehen die Pulte?). Auch beim Üben im stillen Kämmerlein kann dies funktionieren –, wenn man den Anfang des Stückes übt und sich dabei den Saal, das Publikum und den kommenden Auftritt vorstellt.
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