Jemand, der schon längere Zeit Geige, Bratsche oder Cello spielt, aber dessen erste Assoziation bei dem Begriff „Kontaktstelle“ ein vielleicht unmoralisches Angebot ist, der ist entweder ein Schelm, der böses dabei denkt, oder hat einen der zentralen Aspekte der Tongebung auf dem Streichinstrument bislang zu wenig beachtet.
Es ist erstaunlich: Jeder Geigenspieler muss sich bereits ganz zu Beginn im Geigenunterricht gezielt mit dem geraden Streichen und der Kontrolle der Kontaktstelle beschäftigen (gemeint ist natürlich die Stelle, an welcher der Bogen beim Streichen die Saite berührt) und lotet dabei mehr oder weniger willkürlich die Extremwerte der Tongebung aus. Doch sobald die ersten Anfangshürden, die gröbsten Kratz-, Schnarr- oder Säuselgeräusche, eliminiert sind, erfährt die Auseinandersetzung mit den Agenden der Kontaktstelle eine sprichwörtlich stiefmütterliche Behandlung. Völlig zu Unrecht.
Alle Möglichkeiten nutzen
Bei der Streichbewegung haben wir im Grunde drei Hauptfaktoren, welche die Ansprache der Saite und die Klangqualität maßgeblich beeinflussen und stark voneinander abhängen: Bogendruck, Bogengeschwindigkeit und die Kontaktstelle. Man kann diese drei folgenden Qualitäten der Tongebung schematisch zuordnen:
leichte Ansprache — „matter“ Klang | schwere Ansprache — obertonreicher Klang |
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niedrige Bogengeschwindigkeit | hohe Bogengeschwindigkeit |
hoher Bogendruck | niedriger Bogendruck |
Kontaktstelle beim Griffbrett | Kontaktstelle beim Steg |
Es ist die Reihe an Kombinationsmöglichkeiten dieser Parameter, die uns als Streich-Instrumentalisten das wohl höchste Maß an klanglichen Freiräumen bescheren. Umso einschränkender wirkt es sich allerdings aus, wenn wir einen dieser Parameter vernachlässigen. Eine falsche Kontaktstelle zwingt uns geradewegs dazu, die Bogengeschwindigkeit oder den Bogendruck anzupassen, um die Ansprache der Saite dennoch zu gewährleisten. Der damit einhergehende regelrechte Kampf um den Klang — die unrühmliche Allzweckwaffe ist die überschießende Anpassung des Bogendrucks — hat nur noch selten mit einer gelungenen Interpretation oder den dynamischen Bezeichnungen in den Noten zu tun.
Zwei Anregungen — schwungvolle Akkorde und ein gediegenes Pianissimo
Mehrstimmige, gebrochene Akkorde (siehe auch: Endlich Akkorde meistern) gehören zu den besonderen Herausforderungen am Streichinstrument. Meistens benötigen wir einen erhöhten Bogendruck während der Akkordbrechung. Einer der Kardinalfehler bei „überdrückten“ Akkorden ist eine Kontaktstelle zu nahe am Griffbrett.
Ganz nahe am Griffbrett — sul tasto — gelingt dafür ein sehr weiches pianissimo. Es lohnt sich in diesem Fall besonders auch unterschiedliche Bogengeschwindigkeiten auszuprobieren und klanglich zu experimentieren.
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